Zu Besuch auf der Agile HR Conference

· Marieke
agilehr

Was erwarten Mitarbeiter in selbstorganisierten Teams heute noch von HR? Wie geht man damit um, wenn Ideen wie ein geplantes Team-Feedback scheitern? Und was haben Konzerne wie die Deutsche Bahn mit Agilität zu tun? Wir waren letzte Woche auf der Agile HR Conference und haben viele spannende Eindrücke mitgenommen. Das zweitägige Event, das dem aktiven Austausch rund um agile Personal- und Organisationsentwicklung dient, fand in diesem Jahr am 26. und 27. April in den Balloni Hallen in Ehrenfeld statt, für mehr als 300 Besucher eine sehr geeignete Location.

Die Teilnehmer waren größtenteils Personalreferenten, HR-Manager, Personalleiter, Führungskräfte von agilen Teams, Scrum Master und Product Owner oder Geschäftsführer und Vorstände, die für das Personalmanagement in ihren Unternehmen Verantwortung übernehmen und sich für agile Themen interessieren. Auf dem Programm stand vor allem aktiver Austausch. In mehr als 20 Talks erzählten Unternehmen von den Erfahrungen auf ihrer Reise der agilen Transformation. Daneben gab es einen Open Space und ein Spieleland, bei dem Spiele wie die Marshmallow Challenge, der Scaled Agile Zoo oder die Customer Empathy Map ausprobiert werden konnten.

In jedem Fall konnte einiges an neuen Ideen und Anregungen mitgenommen werden. André Häusling von den HR Pioneers begrüßte die Teilnehmer und stellte in seiner Keynote die drei Säulen agiler Führung vor: Verantwortung, Kompetenzen und Haltung. Mit der Aufzählung von typischen Glaubenssätzen zum Thema Haltung wie „Ober sticht Unter“ oder „Wer bei der Arbeit lacht, hat noch Reserven“ sorgte er für einige Lacher im Raum.

Bei der Konferenz gab es neben Talks von Firmen wie Sipgate, die komplett agil arbeiten, vor allem auch interessante Einblicke in Unternehmen, die man nicht gerade mit dem Thema verknüpfen würde. So berichteten zum Beispiel Stefanie Hirte und Kristine Kiwitt von der Otto Group von ihrer strategischen Initiative „Führung und Zusammenarbeit“, die die kulturellen Voraussetzungen für eine erfolgreiche digitale Transformation des Unternehmens schaffen und die Mitarbeiter dabei begleiten soll.

Neues Raum- und Zeitkonzept

Eine andere Firma, die man auf den ersten Blick nicht mit Agilität in Verbindung gebracht hätte: die DB Vertrieb GmbH. Sie ist seit eineinhalb Jahren auf dem Weg ihrer agilen Transformation. HR ist der Treiber dieser Veränderung und hat sich Anfang 2017 selbst neu aufgestellt: Die 60 HR-Mitarbeiter haben sich in einer anonymen Wahl dazu entschieden, Hierarchien abzuschaffen und in eine weitgehend selbstorganisierte HR-Organisation überzugehen. Im Vortrag gaben Matthias Glaub und Heiko Büttner Einblick in die Rolle, die HR bei der agilen Transformation übernimmt. Eine wichtige Erkenntnis, die sie mit den Zuhörern teilten: Es reicht nicht aus, Führungskräfte zu haben, die Agilität wollen. Man braucht interne Expertise, die sie dabei unterstützt. Bei der DB Vertrieb GmbH führte die Transformation bisher auch dazu, dass es nun ein ganz neues Raum- und Zeitkonzept gibt: So lange die Qualität stimmt, ist es egal, wo die Mitarbeiter arbeiten.

Eine Mitarbeiterin von Jochen Schweizer hat in ihrer Bachelorarbeit dazu geforscht, was crossfunktionale und agile Teams von HR erwarten. Ihre Ergebnisse präsentierte sie in einer Keynote: HR ist nach wie vor wichtig, muss aber anders gedacht werden. Es geht vor allem darum, Rahmenbedingungen für agiles Arbeiten zu schaffen, sich um Schulungen und Weiterentwicklung zu kümmern und Mitarbeiter bei Konflikten zu unterstützen. In qualitativen Befragungen kam heraus, dass Kollegen sich HR als Eskalationsstufe und Impulsgeber wünschen. Dabei geht es eher ums Befähigen und Beraten als ums Selbermachen. Als Fazit sagt Melissa Köhler, dass es diesen einen Personaler, der alles schaukelt, nicht mehr gibt. Um als HR eine Rolle zu spielen, müsse man sich verändern: „Es geht darum, sich rauszuhalten, sich nicht einzumischen, aber bei Bedarf da zu sein.“

Feedback kann man nicht erzwingen

Ein sehr guter und vor allem ehrlicher Vortrag kam von Sipgate. Thu Pakasathanan und Carina Visser berichteten über ihre Versuche, bei Sipgate ein „Feedback für Alle“ einzuführen, das unabhängig vom Gehalt von Teamkollegen gegeben wird. Das Fazit nach mehreren Anläufen: Die Qualität der Feedbacks war nicht so gut wie erhofft, Mitarbeiter fühlten sich zum Feedback gezwungen, weil es „von oben“ vorgegeben wurde. Das Feedback für alle ist also gescheitert. Die Erkenntnis für die beiden Personalerinnen: Mitarbeiter müssen die Wichtigkeit selbst erkennen. Feedback ist wichtig, aber nicht in einem gezwungenen Format.

Unser Fazit nach den zwei Tagen Agile HR Conference ist positiv. Wir haben viele Anregungen mitgenommen, dank der vielfältigen und teilweise sehr ehrlichen Einblicke in verschiedenste Unternehmen. Daher freuen wir uns schon auf das nächste Jahr.

(Fotos: Marc Thürbach)